Wirtschaftsnobelpreis 1999: Robert Mundell

Wirtschaftsnobelpreis 1999: Robert Mundell
Wirtschaftsnobelpreis 1999: Robert Mundell
 
Der Kanadier erhielt den Nobelpreis für seine Analyse der Geld- und Fiskalpolitik in verschiedenen Wechselkurssystemen und für seine Analyse optimaler Währungsgebiete.
 
 
Robert Alexander Mundell, * Kingston (Ontario, Kanada), 24. 10. 1932; Promotion 1956 am Massachussetts Institute of Technology Boston, 1961-65 Internationaler Währungsfonds, 1966-71 Professur für Volkswirtschaftslehre in Chicago, 1965-1975 Sommerprofessur am Graduate Institute of International Studies in Genf, seit 1974 Professur für Volkswirtschaftslehre an der Columbia University in New York.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Im Jahr 1999 wurde mit Robert Alexander Mundell der bislang einzige Kanadier mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften würdigte Mundell für dessen bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Arbeiten zur Analyse der Wirkungen von Geld- und Fiskalpolitik bei festen und flexiblen Wechselkursen sowie seiner Analyse optimaler Währungsräume. Mundells Werk — so das Preiskomitee in seiner Begründung — stelle trotz zahlreicher Erweiterungen noch heute einen wesentlichen Bestandteil in der Lehre der Makroökonomik offener Volkswirtschaften dar und bilde in vielen wirtschaftspolitischen Fragen die entscheidende Diskussionsgrundlage. Das gelte zum Beispiel für die aktuell diskutierte Frage nach möglichen volkswirtschaftlichen Kosten bei der Bildung der Europäischen Währungsunion. Darüber hinaus hätten die wissenschaftlichen Beiträge Mundells Generationen von Forschern in ihren Arbeiten inspiriert.
 
 Von Währungskursen und Zinsen
 
Nach Beendigung seines Studiums der Volkswirtschaften in Vancouver, Seattle und London wechselte Mundell für seine Doktorarbeit an das berühmte Massachussetts Institute of Technology (MIT) nach Boston, wo er im Jahr 1956 über das Thema »Essays in the Theory of International Capital Markets« (englisch; Beiträge zur Theorie der internationalen Kapitalmärkte) promovierte. Im Anschluss daran unterrichtete er an der University of Chicago, der Stanford University in Kalifornien und dem Johns Hopkins Bologna Center of Advanced International Studies. 1961 wechselte Mundell zum Internationalen Währungsfonds (IWF), wo er insgesamt fünf Jahre Mitglied des dort angesiedelten Forscherstabs war. In diesem Zeitraumveröffentlichte Mundell seine bahnbrechenden Arbeiten zur Stabilisierungspolitik offener Volkswirtschaften und zur Theorie optimaler Währungsräume. Nahezu gleichzeitig präsentierte auch der 1976 verstorbene langjährige Leiter der Forschungsabteilung des IWF, Marcus Fleming, seine Forschungsergebnisse zu derselben Thematik. Das heute in allen makroökonomischen Standardlehrbüchern zu findende Mundell-Fleming-Modell war damit entstanden. 1966 verließ Mundell den IWF und übernahm eine Professur an der University of Chicago, die er bis 1971 inne hatte. Im Jahr 1974 trat Mundell schließlich der volkswirtschaftlichen Fakultät der Columbia University in New York bei, an der er bis zum heutigen Tag forscht und Lehrtätigkeiten wahrnimmt.
 
In seiner 1963 veröffentlichten Pionierarbeit setzte sich Mundell mit der Frage auseinander, welche kurzfristigen Auswirkungen stabilisierungspolitische Maßnahmen in offenen Volkswirtschaften besitzen. Dazu erweiterte er das von John Hicks (Nobelpreis 1972) entwickelte IS-LM-Modell um internationale Handelsbeziehungen und internationalen Kapitalverkehr. Mundell zeigte, dass die Effizienz von Geld- und Fiskalpolitik maßgeblich vom Grad der Kapitalmobilität und vom Wechselkurssystem abhängt. Dies soll anhand des Spezialfalls vollkommener Kapitalmobilität verdeutlicht werden, bei dem internationale Zinsdifferenzen so lange Kapitalbewegungen auslösen, bis sich inländischer und ausländischer Zins angeglichen haben. Unterstellt man ein System fester Wechselkurse, bei dem die Zentralnotenbanken am Devisenmarkt intervenieren müssen, wird die Geldpolitik völlig unwirksam. Versucht die Geldpolitik expansive Einkommenseffekte zu erzielen, indem sie die Geldmenge erhöht, löst die dadurch bewirkte Zinssenkung massive Kapitalabflüsse aus. Die Zahlungsbilanz gerät ins Defizit und die Zentralnotenbank ist zu Devisenverkäufen gezwungen, um den Abwertungsdruck auf die inländische Währung zu beseitigen und den Wechselkurs konstant zu halten. Im Umfang der Devisenverkäufe sinkt freilich die heimische Geldmenge, und der angestrebte Einkommenseffekt wird vollständig durchkreuzt. Die zu Zinssteigerungen führende Fiskalpolitik ist unter solchen Rahmenbedingungen dagegen effizient, da die zinsinduzierten Kapitalzuflüsse zusätzliche expansive Wirkungen entfalten.
 
Umgekehrt verhält es sich im System flexibler Wechselkurse. Hier wird die Geldpolitik wieder zu einem wirkungsvollen Instrument, weil eine Geldmengenerhöhung über Zinssenkungen und Kapitalabflüsse zu einer Abwertung der heimischen Währung führt. Eine billigere Währung verbessert dabei die Absatzchancen heimischer Produkte auf den Weltmärkten und sorgt so für einen zusätzlichen Einkommenseffekt. Die Fiskalpolitik ist demgegenüber völlig unwirksam, da es durch Kapitalzuflüsse zur Aufwertung der Inlandswährung und damit zu einer Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit kommt.
 
 Vordenker der Europäischen Währungsunion
 
Bemerkenswert an Mundells Analyse ist die Tatsache, dass zu dieser Zeit die meisten Volkswirtschaften als Mitglieder des Bretton-Woods-Systems über feste Wechselkurse miteinander verbunden waren. Zudem gab es umfangreiche Kapitalverkehrskontrollen. Die Ergebnisse Mundells wurden daher häufig als akademische Kuriosität abgetan. Kaum ein Jahrzehnt später sollte sich nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-System und dem Übergang der wichtigsten Währungen zu flexiblen Wechselkursen aber zeigen, wie relevant und weitsichtig Mundells Überlegungen gewesen waren.
 
Nicht weniger provozierend war der 1961 veröffentlichte Beitrag »A Theory of Optimum Currency Areas« (englisch; Eine Theorie optimaler Währungsgebiete). Darin warf Mundell die damals revolutionär anmutende Frage auf, wann es für verschiedene Regionen vorteilhaft sei, die jeweils eigene währungspolitische Souveränität aufzugeben und durch eine einheitliche Währung zu ersetzen. Vereinzelt wurden in wissenschaftlichen Kreisen zwar die Vor- und Nachteile fester und flexibler Wechselkurse diskutiert. Eine nationale Währung wurde jedoch als zwingend notwendig erachtet. Als entscheidendes Kriterium für einen optimalen Währungsraum identifizierte Mundell dabei die Mobilität der Arbeitskräfte. Je höher die Migrationsbereitschaft der Arbeitskräfte sei, desto besser könne ein Währungsgebiet mit asymmetrischen, das heißt mit regional in unterschiedlicher Stärke auftretenden Nachfrageschwankungen fertig werden.
 
Mundells Arbeit zur Theorie optimaler Währungsräume wurde in der Folge durch weitere Kriterien wie die Kapitalmobilität, das industrielle Spezialisierungsmuster sowie gemeinsame Steuer- und Transfersysteme ergänzt und erlangte durch die europäische Währungsunion praktische Aktualität. Vergleichbar mit dem Mundell-Fleming-Modell, das trotz vielfältiger Weiterentwicklungen nach wie vor als Standardmodell für die Beurteilung von stabilisierungspolitischen Maßnahmen in offenen Volkswirtschaften herangezogen wird, besitzen auch die zentralen Aussagen der Mundell'schen Überlegungen zu optimalen Währungsgebieten noch volle Gültigkeit. Es ist das Verdienst des heute 68-jährigen Robert Mundell, zwei gegenwärtig aktuelle Forschungsrichtungen innerhalb der Makroökonomik begründet zu haben.
 
G. Schmid

Universal-Lexikon. 2012.

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